Registrieren im Forum

„Mama bitte kommen“ – Manuela Schalek über das Projekt „Notfallmama“

Der Bund fördert den flächendeckenden Ausbau der Kinder- und Kleinkindbetreuung, die rasche Rückkehr an den Arbeitsplatz ist für viele Frauen eine Selbstverständlichkeit geworden und so sind es Mamas heutzutage beinahe schon gewohnt, Haushalt, Kindererziehung und den Job unter einen Hut zu bringen. So lange der Alltag reibungslos von der Hand geht, ist es zwar anstrengend, aber schaffbar. An die Grenzen kommen Familien spätestens dann, wenn die Kinder krank werden oder ein Elternteil erkrankt.

Wir haben uns mit Manuela Schalek, Bundeskoordinatorin vom KiB children care Verein rund ums erkrankte Kind, zum Gespräch getroffen. Sie erklärt uns, warum leistbare Betreuungsnetzwerke gerade im Krankheitsfall wichtige Ressourcen für Familien darstellen und was es mit dem von KiB initiierten Projekt „Nofallmama“ auf sich hat.

Manuela Schalek

BabyForum: Liebe Frau Schalek, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Erzählen Sie uns etwas über den Verein KiB children care. Seit wann gibt es KiB und was sind Ihre Hauptaufgaben?

Manuela Schalek: Der Familienselbsthilfeverein KiB children care wurde 1986 von einer Handvoll Eltern in Oberösterreich gegründet. Damals war unser Ziel, dass Eltern ihre Kinder im Krankenhaus Tag und Nacht begleiten dürfen und dies auch für Eltern leistbar ist. Dieses Ziel haben wir erreicht und die Begleitung im Krankenhaus ist selbstverständlich. Dennoch arbeiten wir daran, dass die Begleitkosten Österreichweit abgeschafft werden, denn in der Zwischenzeit wird die Mutter/der Vater als Medizin anerkannt und dadurch haben sich auch die Krankenhausaufenthaltstage reduziert. 1998 traten KinderärztInnen und PädagogInnen an uns heran, mit der Bitte, dass wir uns auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, wenn Kinder erkranken. Seit diesem Zeitpunkt setzen wir uns gesellschaftspolitisch dafür ein, dass auch für diese Betreuungslücke professionelle Angebote geschaffen werden. In Wien und in Graz haben wir erreicht, dass Dienstleistungsorganisationen Personen angestellt haben, welche das erkrankte Kind zu Hause betreuen, während die Eltern in der Arbeit sind. Weiters haben wir einen Pool an engagierten Personen, die in dieser Phase gerne unterstützen.

BabyForum: KiB leistet auf gesellschaftspolitischer Ebene einen wichtigen Beitrag. Seit 01.01.2017 müssen Eltern keinen Selbstbehalt mehr zahlen, wenn sie ihr krankes Kind ins Spital begleiten – Ihr Verein war wesentlich daran beteiligt, dass diese Einigung erzielt werden konnte. Worin bestehen die Herausforderungen, wenn man gewissermaßen Lobbyarbeit für Familien und erkrankte Kinder betreibt?

Die Abschaffung des Selbstbehaltes für Kinder im Krankenhaus war ein riesengroßer Meilenstein in unserer Vereinsgeschichte. Gerade auch bei Mehrlingsgeburten wurden Eltern finanziell sehr belastet. Nach einem wochen- und monatelangen Krankenhausaufenthalt erhielten die Eltern eine sehr hohe Rechnung über den Selbstbehalt. Für Zwillinge zum Beispiel betrug diese 1.000 Euro und auch mehr. Die Abschaffung konnten wir nur durch unsere Hartnäckigkeit und unsere Netzwerke erreichen. Unzählige Gespräche auf politischer Ebene wurden geführt und gab es eine Neuwahl, egal ob auf bundes- oder landespolitischer Ebene, hieß es für uns wieder zurück an den Start.

BabyForum: Kommen wir zum Projekt „Notfallmama“, das vom Verein KiB ins Leben gerufen wurde. Sie unterstützen Familien, die eine Betreuung für ihr krankes Kind benötigen. Nehmen wir nun an, mein Kind wird im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht krank, wie funktioniert das mit der Notfallmama – sind Ihre MitarbeiterInnen tatsächlich rund um die Uhr erreichbar?

Ja, wir sind Tag und Nacht 7 Tage in der Woche persönlich erreichbar. Am besten ist es, wenn die Eltern am Vorabend bei uns anrufen und den Betreuungsbedarf für den nächsten Tag bekannt geben, denn meistens kann man als Mutter/Vater am Abend schon abschätzen, ob der kleine Sprössling am nächsten Tag den Kindergarten besuchen kann oder nicht. Wir nehmen dann den Eltern das Telefonieren ab und kontaktieren zuerst Dienstleistungsorganisationen und wenn diese keine freien Ressourcen haben, rufen wir die Notfallmamas durch. Sobald jemand die Betreuung übernehmen kann, erhält die Mutter/der Vater die Telefonnummer von der Betreuungsperson, um alles andere abklären zu können.

BabyForum: Wer kann eine Notfallmama beanspruchen und wie hoch sind die Kosten für die Betreuung?

Voraussetzung dafür ist eine Mitgliedschaft bei KiB. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 14,50 pro Monat und pro Familie, egal wie viele Kinder die Familie hat. Eine Betreuungsstunde kostet im Durchschnitt 8 bis 10 Euro. Die Eltern bezahlen die Rechnung der Dienstleistungsorganisation oder der Betreuungsperson nach jedem Einsatz. Bei Bedarf können uns die Eltern Bescheid geben und erhalten dann von uns finanzielle Unterstützung – denn kein Kind sollte aus finanziellen Gründen krank die Kinderbetreuungseinrichtung aufsuchen müssen. Die Betreuung erfolgt ausschließlich zu Hause und beträgt max. 3 Tage pro Krankheitsfall.

BabyForum: Notfallmamas kümmern sich auch um gesunde Kinder, wenn die Mama krank oder mit einem Geschwisterkind im Krankenhaus ist?

Ja genau. Seit 2016 haben wir unser Service erweitert, dass wir auch Unterstützung organisieren, wenn Mama oder Papa krank ist. Gerade Alleinerziehende profitieren von diesem Angebot. Es tut schon mal gut, wenn ich als Mutter/Vater krank bin und weiß, dass ich ein paar Stunden ruhen/schlafen kann und meine Kinder gut versorgt sind.

BabyForum: Gibt es in Österreich Angebote, die sich mit dem Projekt „Notfallmama“ vergleichen lassen? Wie sieht es in den einzelnen Bundesländern aus?

Wie bereits erwähnt gibt es in Wien die Wiener Sozialdienste „Kinderbetreuung Daheim“ und in Graz und Umgebung ein Angebot von den Tagesmüttern Steiermark „genau jetzt“. Ansonsten sieht es Österreich weit noch schlecht aus. Gerade auf regionaler Ebene ist es oft eine Herausforderung, jemanden zu finden. Dazu haben wir jetzt Kleinprojekte in Gemeinden gestartet, um auch hier auf den Bedarf aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungen für diese Betreuungslücke zu etablieren.

BabyForum: In unserem Vorgespräch haben Sie erwähnt, dass der Bedarf an Notfallmamas ungebrochen ist. An wen kann man sich wenden, wenn man selbst gerne Notfallmama werden möchte?

Interessierte Personen können entweder bei uns unter 0 664 / 6 20 30 40 anrufen oder uns per Mail unter info@notfallmama.or.at kontaktieren. Sie erhalten dann von uns ein Erhebungsblatt zum Ausfüllen. Weiters benötigen wir einen aktuellen Strafregisterauszug. Sobald wir die Unterlagen erhalten haben, findet ein Kennenlerngespräch statt. Erst dann ist eine Registrierung in unserer Datei möglich.

BabyForum: „Um ein Kind großzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf“ – warum ist es für viele Familien heutzutage so schwer, Kinder durch eine Krankheitsphase zu begleiten? Liegt es am gesellschaftlichen Druck, stets leistungsfähig zu bleiben, an den eigenen Erwartungen oder am gesellschaftlichen Wandel generell?

Ich denke, es spielt alles zusammen. Früher gab es noch die Großfamilie, wo Generationen unter einem Dach gewohnt haben und die Großeltern da waren. Heute arbeiten die Großeltern selber noch, oder wohnen nicht in der Nähe. Die Angst davor, den Arbeitsplatz zu verlieren, und der Druck unter den ArbeitskollegInnen sind nicht zu unterschätzen.

BabyForum: Sie sind KiB Koordinatorin in der Bundeshauptstadt und verfügen über jahrelange Erfahrung in Ihrem Bereich. Abschließend – welche aktuellen Forderungen stellt KiB an die Politik? Was klappt bereits gut, wo besteht Aufholbedarf?

Wünschenswert wäre, dass es gesellschaftlich selbstverständlich ist und auch gefördert wird, dass die Mutter/der Vater zu Hause bleiben, wenn ein Kind erkrankt. Dass dieser Betreuungsbedarf ernst genommen und beim Ausbau von Betreuungsangeboten, z.B. Krabbelstube, mitgedacht wird. Eltern sollen eine echte Wahlfreiheit haben, ob sie ihr erkranktes Kind selbst betreuen, oder Unterstützung in Anspruch nehmen, ohne dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird und sie als Rabenmütter/Rabenväter abgestempelt werden.

Wir bedanken uns bei Manuela Schalek für dieses interessante Gespräch und laden unsere LeserInnen ein, diese Thematik auch im BabyForum zu diskutieren. Wie löst ihr das Betreuungs-Dilemma, wenn euer Kind krank ist? Teilt ihr euch die Pflege mit dem Papa des Kindes auf oder habt ihr eine Oma in der Nähe, die spontan einspringen kann?

Informationen zum Projekt „Notfallmama“ findest du unter www.notfallmama.or.at, Weiterführendes zum KiB Verein rund ums erkrankte Kind gibt es auf www.kib.or.at nachzulesen.

Tipp: Wenn du deinem Kind das Thema Notfallmama spielerisch näher bringen möchtest, empfehlen wir das KiB Kinderbuch „Notfallmama Melusine – Jonas und sein Teddy“: www.kib.or.at/kinderbuch/notfallmama_Melusine.html

Zurück

Einen Kommentar schreiben