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Essen und Trinken im Kleinkindalter: Für Familienkost ist es noch zu früh

Der erste Geburtstag ist vorbei und schon meinen viele Eltern, nun sei am Teller ihres Sprösslings alles erlaubt: Süßes, Fettes, Salziges. Genau „wie die Großen“ eben. Für Familienkost ist es jedoch noch zu früh, denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Das gilt auch beim Essen. Falsche Ess- und Trinkgewohnheiten in dieser sensiblen Phase können sich negativ auf das Wachstum und die Entwicklung des Kindes auswirken.

Sonntag, 12:00 Uhr. Der Tisch ist gedeckt, Familie Gruber freut sich auf das Wiener Schnitzel. Noah, der vergangene Woche seinen ersten Geburtstag gefeiert hat, thront im Hochstuhl am Tisch. Vor ihm sein eigener bunter Teller, das kindgerechte Besteck und ein Trinkbecher mit Winnie Puh-Aufkleber, gefüllt mit Wasser. Auf seinem Teller liegt ein Schöpfer Gemüse-Brei. Mama, Papa und Lisa, Noahs ältere Schwester, schneiden beherzt ein Stück vom Schnitzel ab. Papa versucht, mit „Mmmmh, schmeckt das gut!“, Noah den Gemüsebrei schmackhaft zu machen. Aufgrund Noahs lauthals zum Ausdruck gebrachten Desinteresses daran, darf er wie schon so oft in letzter Zeit ein bisschen bei den Großen mitnaschen. Noah mag Schnitzel und er scheint rundum glücklich. Zehn Minuten später signalisiert er: Ich bin satt. Der Gemüsebrei wandert von Noah unberührt in Papas Magen.

Theoretisches Ernährungswissen oft nicht alltagskompatibel

Obige Szene spielt sich so oder ähnlich in vielen Familien mit kleinen Kindern ab. Dabei wird deutlich: Eltern wollen grundsätzlich nur das Beste für ihre Kleinen. Es zeigt aber auch, dass theoretisches Ernährungswissen oft nicht alltagskompatibel ist. Eva Unterberger wundert das nicht: „Eltern von Kleinkindern werden dabei alleine gelassen. Gibt es für das erste Lebensjahr noch umfangreiche Empfehlungen, heißt es ab dem ersten Geburtstag nur mehr ‚allmählicher Umstieg auf die Familienkost’.“ Dass die Familienkost in vielen heimischen Haushalten alles andere als kleinkindgerecht ist, zitiert die Ernährungswissenschafterin aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 2012, der das Essverhalten der Erwachsenen hierzulande wie folgt beschreibt: Zu viel, zu süß, zu fett, zu salzig.

Insofern ist es erschreckend, dass laut einer im vergangenen Sommer durchgeführten Umfrage unter 500 Müttern bereits über 40 Prozent der Kinder im zweiten Lebensjahr das Gleiche essen wie die Erwachsenen. Eltern von Kleinkindern sind also gut beraten, ihre eignen Essgewohnheiten unter die Lupe zu nehmen und falls nötig da und dort zu überdenken. „Wenn Eltern bei Gemüse, Obst & Co. mit gutem Beispiel vorangehen, haben sie gute Karten in der Hand, dass ihre Sprösslinge es ihnen nachmachen“, rät Unterberger.

Mütter gehen nach Gefühl vor

Die Umfrage bestätigt, was viele Ernährungsexperten aus der Praxis kennen: Drei von vier Müttern ist nicht bewusst, dass ein Kleinkind in den ersten tausend Tagen einen besonderen Nährstoffbedarf hat. Demnach gehen 85,3 Prozent der Befragten nach Gefühl und Intuition vor, nur 14,7 Prozent achten bewusst auf den Nährstoffgehalt, wenn sie ihr Kleinkind ernähren.

Die ersten 1.000 Tage sind entscheidend

Die Ernährung in den ersten 1000 Tagen (gerechnet von der Befruchtung bis zum zweiten Geburtstag) eines Kindes ist entscheidend für eine gesunde Zukunft, wie die Ernährungswissenschafterin betont: „Kleinkinder sind beim Essen keine kleinen Erwachsenen. Sie benötigen von manchen Nährstoffen bezogen auf das Körpergewicht bis zu 5 x mehr als Erwachsene. Dabei ist ihr Magen etwa nur ein Sechstel so groß und verhält sich größenmäßig etwa wie eine Mandarine zu einer Grapefruit. Füllt man diese Mandarine mit Nudeln, hat kein Gemüse mehr Platz.“ Oder, um auf das Beispiel von oben zurückzukommen: Füllt man diese Mandarine mit Schnitzel, passt kein Gemüsebrei mehr rein. Es liegt also auf der Hand, dass überwiegend nährstoffreiche Lebensmittel ihren Weg in den Kindermagen finden sollen.

Dazu gehören Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Milchprodukte - hin und wieder ergänzt durch ein Stück Fleisch, Fisch oder ein Ei, so Unterberger. Auch Süßigkeiten sind ab und zu erlaubt, wenn der Essalltag grundsätzlich ausgewogen gestaltet wird. Aber schon bei den ganz Kleinen schleichen sich laut der Umfrage in kürzester Zeit schlechte Essgewohnheiten ein: Der Anteil derer, die zumindest 1 x täglich naschen, verdoppelt sich zwischen dem ersten und dritten Geburtstag. Gleichzeitig nimmt der Obst- und vor allem Gemüseverzehr ab.

Dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren spezielle Ernährungsbedürfnisse haben, ist laut Umfrage nur jeder vierten Mutter bewusst (nur 24,5 % stimmen dieser Aussage „sehr zu“). Das wichtigste Kriterium der Mütter für die Ernährung ihrer Kinder ist, dass es den Kindern schmeckt (71,8 %). Immerhin aber wissen fast zwei Drittel (62,2 %) der Befragten, dass die Ernährung in den ersten Lebensjahren entscheidend ist für eine gesunde Entwicklung.

In die richtige Bahn lenken

Es mehren sich die wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass diese „Programmierung“ schon sehr früh beginnt: So sollen das Essverhalten der Schwangeren sowie die Ernährung des Säuglings und Kleinkindes langfristig einen Einfluss auf die spätere Gesundheit und das Risiko für Zivilisationskrankheiten (Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) haben. Ist die Eiweißzufuhr beispielsweise zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat zu hoch, besteht die Gefahr, dass das Kind bei Schuleintritt zu viel Gewicht auf die Waage bringt. Wissenschafter vermuten, dass eine zu geringe Eisenzufuhr bis zum zweiten Geburtstag später mit schlechten Schulleistungen einhergeht. Ist der Köper hingegen in den ersten Lebensjahren gut mit Vitamin-D versorgt, kann dies offenbar der Entstehung von Typ-1-Diabetes entgegenwirken.

Wird das Essverhalten in den ersten 1.000 Tagen in die richtigen Bahnen gelenkt, schafft dies einen nicht aufholbaren Gesundheitsbonus für spätere Lebensjahre. In dieser Zeit muss daher der Esstisch besonders sorgfältig mit nährstoffreichen Köstlichkeiten gedeckt werden.

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